Theaterspiel-Ensemble sensibilisiert die Mittelstufenschüler*innen eindrucksvoll für das Thema Alltagswiderstand im Zusammenhang mit den Gräueltaten während der NS-Zeit
Es ist so still, dass man beinahe eine Stecknadel fallen hören könnte, als die zwei Schauspielerinnen und drei Schauspieler an diesem Vormittag auf der Bühne der Alten Aula des Friedrich-Spee-Gymnasiums ihr Theaterstück „ÜBERdasLEBEN oder meine Geburtstage mit dem Führer“ präsentieren. Denn die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 und 8 des FSG schauen gebannt zu, wie das Mädchen Anni ihre alljährlichen Geburtstage inmitten der NS-Zeit erlebt und dabei zunehmend die Schrecken dieser Diktatur auch im Kreise ihrer eigenen Familie erfahren und erleiden muss. Für die meisten der jungen Theatergäste ist dieser Anlass eine der ersten Begegnungen mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, umso eindrucksvoller gelingt es dem Schauspiel-Ensemble der Gruppe „theaterspiel“ unter der Leitung von Beate Albrecht aus Witten, die Siebt- und Achtklässlerinnen eindrucksvoll dafür zu sensibilisieren.
Die Protagonistin Anni ist bei der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 ein neunjähriges Mädchen, das zu Beginn der Bühnenhandlung eigentlich nur unbeschwert ihren Geburtstag feiern möchte. Doch was uns heute oftmals hierzulande bedenkenlos möglich ist, wird für sie in den weiteren zwölf Jahren ein zunehmend schwieriges bis unmögliches Unterfangen. Präsentiert wird nachfolgend die Geschichte dieses jungen Mädchens, das am 20. April und damit just am selben Tag wie Adolf Hiltler Geburtstag hat, und wie ihre Eltern und Freunde im Laufe der Geschichte zunehmend in die Fänge des NS-Regimes gelangen und so einen sich zuspitzenden, zwölf Jahre dauernden „Höllenritt“ bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges erleben. Die Handlung erzählt einfühlsam und anschaulich von Mitläufertum und Fanatismus, Beschwichtigung und Weggucken bzw. -ducken, von zunehmender Angst und Gewalt, aber auch von hoffnungsvollem Widerstand im Alltag des heranwachsenden Mädchens.
Dabei ist Annis Elternhaus selbst zwiegespalten: Während Annis Mutter Magda, gespielt von Beate Albrecht, bereits 1933 über Hitler kurz nach dessen Machtergreifung urteilt: „Der hat zuviel Dreck am Stecken“, hat der politisch links stehende Vater zunächst noch die vage Hoffnung: „Der Hitler ist schlimm – aber du malst den Teufel an die Wand.“ Mittendrin das Mädchen Anni: Zu jung um von Politik etwas zu verstehen, ahnt das zunächst begeisterte Jungmädel mit den Jahren angesichts immer bedrückenderer Vorkommnisse, dass „etwas Ungutes“ vor sich geht. Dennoch bleibt sie zerrissen zwischen ihren Eltern und Freund Hansi, der schon längst die braune Uniform trägt. „Marschieren und Mund halten“, fordert er und liefert damit einen der am meisten nachdenklich machenden Sätze, die so stellvertretend sind für die so große Zahl der „Mitläufer“ im Dritten Reich.
Während Annis Vater aufgrund seiner Kritik am Nationalsozialismus nicht nur zunehmende Repressalien und körperliche Gewalt erfährt, letztlich ins KZ kommt und auf der Flucht erschossen wird, versuchen Anni und ihre Mutter durchzuhalten „bis der Spuk vorbei ist.“ Doch der jungen und selbstbewussten Anni reicht das nicht, sie geht in den Widerstand, denn „die Farbe Braun, die mag ich nicht“ und ist angesichts der Geschehnisse in ihrem Umfeld plötzlich mit einem Mal erwachsen geworden. Die Charaktere dieser fiktiven Familie zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und die beängstigend schlichten wie wirkungsvollen Parolen werden so klar gezeichnet, dass das Theaterstück seinen Zweck für die jungen Besucherinnen und Besucher voll erfüllt, um alles dafür zu tun, dass eine Zeit, „in der man das Wort Freiheit nur flüstern durfte“, nie wieder anbricht und dabei stellenweise auch rechtes Gedankengut der Gegenwart zu enttarnen vermag.
Im Anschluss stellte sich das fünfköpfige Schauspiel-Ensemble den interessierten Fragen und ermöglichte durch die eingehende Auseinandersetzung mit ihrem Jugend-Theaterstück einen ebenso anschaulichen wie eindrucksvollen Beitrag zur geschichtlichen und politischen Bildung unserer jungen FSG-Schülerschaft.