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News

Lebendige Vergangenheit am FSG
10.03.07 21:41
Alter: 4 Jahre




Halina Birenbaum spricht über ihre Jugend unter dem Holocaust



Gebannt lauschen die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 13 des Friedrich-Spee-Gymnasiums einer kleinen Frau, die stehend, mit lebhafter Stimme und Gestik, zu ihnen spricht. In Auschwitz hatte eine Mitgefangene im Angesicht der rauchenden Schornsteine des Krematoriums zu Halina Birenbaum gesagt: „Du wirst sehen, es wird noch einmal eine Welt sein, in der man von uns erzählt.“ Und so berichtet die heute 78-jährige, die seit 1946 in Israel lebt, auf deutsch, der Sprache, die sie im Konzentrationslager gezwungenermaßen gelernt hat, wie sie das Warschauer Ghetto und die Konzentrationslager Majdanek, Auschwitz und Neustadt-Glewe überlebte.

Als Halina Birenbaum so alt wie ihre jugendlichen Zuhörer in der Alten Aula des FSG war, hatte sie bereits fast alles verloren: Bis auf einen ihrer Brüder überlebte keiner ihrer Angehörigen die deutschen Todeslager. Sie erzählt, wie ihre Familie ins Ghetto ziehen musste, unter welch unmenschlichen Bedingungen die Juden dort zusammengepfercht lebten und wie es ihrer Familie immer wieder gelang, dem Abtransport in die Lager zu entkommen. Erschüttert hören die Abiturienten zu, als Frau Birenbaum erzählt, wie sie, nachdem sie selbst die Selektion in Majdanek überlebte, verzweifelt nach ihrer Mutter suchte, die doch eben noch hinter ihr gestanden hatte – ihre Mutter war ins Gas geschickt worden. Als sie bald darauf selbst in die als Duschen getarnten Gaskammer geschickt wurde, geschah Unfassbares: Das Gas war ausgegangen, sie überlebte Majdanek.

Doch ihr Leidensweg führte sie weiter – in die größte Todesfabrik der Menschheitsgeschichte: das KZ Auschwitz-Birkenau. Frau Birenbaum enthüllt ihren rechten Unterarm, auf dem die Ziffern 48693 seit ihrer Ankunft im dortigen Frauenlager nicht verblasst sind. Das Leben der Menschen in Auschwitz wird durch die Schilderungen der Zeitzeugin in seiner ganzen Menschenverachtung wieder lebendig: stundenlange Appelle in dünner Häftlingskleidung und Holzschuhen bei eisigen Temperaturen, Kampf um wässerige Suppe und verschimmeltes Brot, Diebstähle unter den Häftlingen, um das eigene Überleben zu sichern, regelmäßig wiederkehrende Selektionen, bei denen die schwächsten Häftlinge ins Gas geschickt wurden: „Wir waren so viele Menschen. Und so wenige sind geblieben...“

Nur wenige Tage vor der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee wurde Frau Birenbaum und viele ihrer Mithäftlinge noch von der SS auf Todesmärschen ins Reichsgebiet getrieben. Erst am 2. Mai 1945 wurde sie schließlich im Lager Neustadt-Glewe, einem Außenlager des KZ Ravensbrück, befreit.

Nach ihrer Rückkehr nach Warschau trifft sie dort zufällig auf der Straße ihren Bruder Marek wieder – ein kleines Wunder nach den Jahren in der Hölle.

Als Frau Birenbaums Schilderungen enden, ist die Betroffenheit der Zuhörer in der Alten Aula greifbar: Sie schweigen ergriffen; es fällt den Jugendlichen wie den Lehrern nach dem Gehörten sichtlich schwer, der Zeitzeugin die im Geschichtsunterricht vorbereiteten Fragen zu stellen.
Im abschließenden Gespräch zeigen sich die Schüler verwundert, dass Frau Birenbaum keinen Hass gegenüber ihren Peinigern und den Deutschen im Allgemeinen empfindet. Ihre Antwort: „Wir kämpften ums Überleben, wir hatten keine Zeit und Kraft zu hassen.“

Frau Birenbaum hat lange gebraucht, bis sie von ihren schrecklichen Erlebnissen berichten konnte. Sie sei einfach froh gewesen, dass sie wieder genug zu Essen gehabt hätte und sich wieder schön anziehen konnte. 1946 emigrierte sie nach Palästina, wo sie heiratete und zwei Söhne bekam. Erst im Jahre1986 besuchte sie zum ersten Mal nach ihrer Befreiung Auschwitz; 1989 schließlich betrat sie erstmals wieder deutschen Boden. Durch diese Ereignisse und ihre Begegnungen mit jungen Polen und Deutschen habe sie erkannt, dass es wichtig sei den jungen Menschen von ihren Erlebnissen zu berichten. So hat sie ihre Erinnerungen an jene Zeit in ihren Büchern „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ und „Rückkehr in das Land der Väter“ niedergeschrieben.
Und wie es heute für sie ist, vor deutschen Jugendlichen ihre Geschichte zu erzählen? Es gebe für sie keinen Unterschied, ob sie nun israelischen, polnischen oder deutschen Jugendlichen über ihre Erlebnisse berichtet: „Sie sind alle gleich; das Schweigen danach ist immer gleich.“








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